1842 - Ritter, Carl. Die Colonisation von Neu-Seeland - Die Colonisation Neu-Seelands

       
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Die Colonisation Neu-Seelands

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Die Colonisation Neu-Seelands 1

durch die Neu-Seeland-Compagnie war vor zwei Monaten während meines kurzen Aufenthaltes in England und zumal in London, ein allgemeines Tagesgespräch. Ich besuchte in der Mitte der City das Neu-Seeland-Haus, das mir einen reichen Schatz der anschaulichen Erkenntniss jener Weltgegend eröffnete, und mit vielen der ausgezeichneteren, dort so wirksam gewesenen Beobachter in Verbindung setzte, die bis jetzt zugleich die leitenden Männer der Neu-Seeland-Colonisation waren. Die ersten Schwierigkeiten ihrer Einrichtung, die grössten Hindernisse, welche diese Colonisation bis dahin, durch das Entgegentreten der Colonial-Behörden und durch das Oberhaus zu überwinden hatte, weil die Krone Englands über die Art einer wirklichen Besitzergreifung dieser Doppelinsel noch unentschieden geblieben, -- waren nun schon siegreich überwunden. Die Krone hatte die Souverainitätsacte über Neu-Seeland bekannt gemacht: die inhaltreichen Parlamentsberichte und Verhöre über die Colonisationsangelegenheit waren durch den Druck,

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von Staatswegen veröffentlicht. Die Volksstimme hatte sich auf das vertrauensvollste für das Verfahren der Compagnie in ihrem Colonisationsgeschäfte entschieden. Diese war durch Theilnahme der angesehensten Familien im Staate und grosser Handlungshäuser gesichert. Das immermehr, alljährlich angewachsene Bedürfniss der Auswanderung in überseeische Colonien aus dem europäisch-britischen Inselstaat, hatte bei dieser seefahrenden Nation von einigen zwanzig Millionen Menschen sich der dringendsten Nothwendigkeit völlig gleich gestellt. Es war nicht schwer zu be greifen, dass eine, bisher gänzlich unbenutzt gebliebene, fruchtbare Doppelinsel, von der Grösse Englands nur mit höchstens 100,000 Bewohnern (kaum 25 Seelen auf die deutsche Quadratmeile) für britische Unterthanen,die in England zu 4,500 Seelen und mehr auf dieselbe Quadratmeile dichtgedrängt beisammen stehen, ein weites Feld der Thätigkeit und der Entwickelungdarbieten müsse. Der edelere Theil der britischen Nation zollte dem neuen, humanen Systeme der Colonisation, in seinem Principe völlig von allen früheren verschieden, seinen ganzen Beifall. Man erstaunte über die rastlose Thätigkeit des Vereins von Privaten; man war durch das Gelingen der grössten Länderankäufe, durch die Agenten der Compagniein Neu-Seeland, verwundert; ja man musste durch das rascheste Zuströmen zahlreicher Uebersiedler in jene oceanischen Fernen, aus allen hohen und niedern Ständen Grossbritanniens, reich wie arm, überrasch sein. Noch ohne den Beistand, ja selbst ohne Sanctiondes Gouvernements, hatte seit keinen vollen zwei Jahren die Wirksamkeit der Colonisations-Gesellschaft begonnen, und schon waren mit einem Grundcapital

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von 100,000 Pfd. St., 20 Millionen engl. Acres (l Acre = 1,5846 preuss. Morgen, 13,744 Acres = 1 deutsche Quadratmeile) oder 1454 deutsche Quadratmeilen Ländereien in Neu-Seeland, oder fast ein Drittheil der ganzen Insel, angekauft. Schon waren auf etwa 24 Emigrantenschiffen an 7,000 Ansiedler, und darunter sehr viele Wohlhabende, viele Andere minder Begüterte, kostenfrei von ihrer Seite, dort gelandet. Schon waren die Grundlagen zu drei, nicht unbedeutenden neuen Hafenstädten gelegt, und in dein Hafen der zur künftigen Metropole bestimmten Hauptstadt Wellington (ein Name voll anziehender Reize für jeden Briten) liefen schon in dem ersten Jahre 110 Schiffe von verschiedenen Grössen ein, die mit den Bedürfnissen der Ansiedelung befrachtet waren. Hunderte sind ihnen seitdem schon nachgefolgt. Die in der Stadt Wellington bis in die Mitte des letzten Sommers schon errichteten Wohnhäuser hatten ein Capital von 18,000 Pfd. St. in Umlauf gebracht; der Werth der Vorräthe in den Magazinen 200,000. Die immermehr fortschreitende Entwickelung des grossartigen Unternehmens, an das sich bald ausser London auch Städte wie Plymouth, Glasgow und Andere, selbst mehrere ganz neue Corporationen auf das innigste anschlössen, war nun schon vorauszusehen. Eine solche Erscheinung auf dem Gebiete der Colonisation, das mit seinem Bedürfniss nun schon alle Zonen, Oceane und die Enden aller Erdtheile, ja den ganzen Erdball umfasst, war nur in unsern Tagen der Beschleunigung der beseelten Bewegungen durch die Oceane, möglich. Den vervielfachten leiblichen Interessen mussten auch die geistigen folgen; es konnte nun wirklich werden, was früherhin nur als möglich gedacht war.

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Die ungebändigten wilden Naturkräfte, durch geistiggeleitete Gewalten beherrscht und unterthan gemacht, mussten nun immermehr aus Widersachern zu dienenden Trägern und Handlangern des Menschengeschlechtes werden; die Entfernungen und Abstände der Räume und Zeiten mussten zu heilsamen, unerwarteten Berührungen führen, in neue Verknüpfungen übergehen, Natur- und Menschen-Welt neugestaltend und inniger in einanderschlingen.

Die Einzelbetrachtung einer solchen, unter unsern Augen sich entfaltenden Begebenheit in ihren ersten Anfängen, wäre an sich wol lehrreich. Sie wird es noch mehr für den Fortschritt der Zeiten, denn schon nach keinem Jahrhundert, vielleicht, möchte in der Mitte jenes gestadereichen Austral-Oceans, aus jener Doppelinsel Neu-Seelands ein neuverjüngtes Albion der Antipoden-Welt hervorsteigen. Der Gegenstand wird hiedurch nicht unwichtig für jeden Freund der Menschengeschichte und seiner unmittelbaren Nachfolger. Leicht wird sich Jeder an ganz analoge, wenn schon wieder verschiedenartige historische Erscheinungen solcher Art erinnern, hei denen auch schon im geringen Keime die ganze nachherige Frucht verborgen lag, wie an das britisch-indische Reich, an den Riesenbaum der Vereinsstaaten Nordamerika's, oder an die kaum erst ausgestreuten Saamenkörner in Algerien, am Kaukasus und im muhamedanischen Orient, die einer neuen Zukunft entgegenreifen.

Hier ist freilich die Zeit zu gemessen, um in eine solche Betrachtung vollständig einzugehen. Nur einige Hindeutungen sind hier, in der Mitte unseres so ruhigen und glücklichen Festlandes, auf die Verhältnisse eines stürmisch bewegten Oceans gestattet,

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und auf seine noch halbwilden Inselländer, die uns freilich noch ferner liegen, als den ersten seefahrenrenden Nationen unsers Erdtheils. Indess haben doch auch schon Seegelschiffe aus unsern Häfen die Oceane jener fernen Gestade durchschnitten, keine abgeschlossene Scheidewand bilden in unserm Jahrhundert die Meere. Und sind nicht auch jene Inseln von menschlichen, ja schon von christlichen Mitbrüdern bewohnt? und was draussen sich zuträgt, wirkt doch zuletzt auch immer wieder nach Innen zurück. Mögen wir auch deshalb schon den Zusammenhang der Dinge im Grossen, der sich stets wieder im Kleinen und Besondern abspiegelt, nicht übersehen, weil er zu unserm eignen Heile uns in der Natur, wie in der Weltgeschichte, immer wieder von Neuem offenbart wird. Hiezu kommt noch eine besondere Theilnahme, die auch uns an jener Antipoden-Gegend, ganz kürzlich erst, auf eine volksthümliche Weise erweckt ist, durch den Vorschlag nämlich unserer hanseatischen Landsleute, eine Ansiedlung für deutsche Auswanderer auf der Gruppe der Chatam-Inseln zu gründen. Diese Gruppe gehört aber zu den nächsten Nachbar-Inseln Neu-Seelands; auf eine solche Ansiedlung würde jedenfalls die Entwicklungsgeschichte der Neuseeländischen Colonisation von der grössten Einwirkung sein.

Die Lage der Antipoden-Insel Neu-Seeland, gerade unter unsern Füssen, auf der entgegengesetzten Seite des Erdballs, ist uns vom künstlichen Globus bekannt. Ihre starre Land- und Gebirgsmasse ragt aus der Mitte jener ewigbewegten, unabsehbaren Wasserwelt majestätisch durch ihre reichbekleideten grünen Waldgebirge bis zu einzelnen kühnen, kegelarti-

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gen Schneegipfeln empor. Sie steht Tausende von Seemeilen fern von jedem der bekannten Erdtheile ab, die jene Wasserwelt im grossen, fast zusammenhängenden oder continentalen Ringe kreisförmig umlagern. Sie ist daher von der reichsten und mannich-faltigsten Gestadewelt an dem äussern Ringe des grossen Landkreises umgeben. Selbst die 1000 zerstreuten Inselchen, wie die dichter gedrängten Inselgruppen der Südsee, die von West nach Ost, wie eine Milchstrasse lichter Sterne, jenen dunkelblauen Meeresraum durchziehen, auf seinem Grunde aber durch Feuerbildungen festgewurzelt stehen, bleiben respectvoll, am entferntesten unter allen Eilanden, vom Neu-Seelande zurück. Als hätte die Bildung der grossen Doppelinsel die Gestaltung der kleinern in ihrer Annäherung gegen dieselbe zurückgehalten. Sie wurzelt am Südende der langgezogenen Inselketten mit wilden Reihen-Vulcanen, wie unser grosser Geognost sie zuerst genannt hat, welche Ost-Asien und Ost-Australiens Festland auf 1000 Meilen weit, von Nord gen Süd, als Küstenbegleiter umziehen, im tiefen Meeresgrunde, als ihr letztes südliches Doppelglied. Nach vielen vulcanischen und neptunischen Kämpfen, deren Denkmale sie in Crateren, Bimssteinlagern, heissen Quellen und Solfataren, in ihrem Innern an sich trägt, scheint sie mit ihren vielen pikartigen, gewaltigen Emporhebungen gegenwärtig in vollem Naturfrieden auszuruhen. Den historischen Frieden hat sie noch nicht errungen; die Thore auf ihrem Schauplatze sind so eben erst zu den nothwendigen Vorkämpfen aufgethan. Ihre Thierwelt hat zwar einen idyllischen Character, gleich ihrer reich ausgestatteten Pflanzenwelt, da sie durchaus ohne alle

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Raubthiere unter den Quadrupeden, kein einziges der grössern wilden, kein giftiges, kein gefährliches herbergt. Der rohe Mensch, ihr Bewohner, war aber noch bis vor Kurzem wildes Raubthier; der dortige Wilde steht noch heute mit seinen Stämmen in gegenseitiger fortwährender Fehde. Seine rohe Ungebundenheit ist im Kampfe mit der Civilisation und ihren Auswüchsen begriffen; die europäische Culturwelt beginnt erst ihre besänftigenden Schwingen über sie auszubreiten. Der Abgeschiedenheit Neu-Seelands von allen übrigen Geschwister-Eilanden, von denen bei weitem die grössere Zahl in geringer Entwicklung zurückblieben, ja der oceanischen Einsamkeit dieser Doppelinsel entspricht ihre Grösse, ihre reiche Begabung, ihr gehaltvoller Ernst, ihre Selbstgenügsamkeit. Sie konnte sich selbst genug sein, eine Naturfülle mit eigenthümlicher Organisation besitzen, ein eignes Völkergeschlecht herbergen und ernähren; sie konnte berufen sein, wie keine der andern australischen Schwesterinseln, eine fruchtbare Mutter civilisirter Völkergeschlechter zu werden. Das Festland Australiens, Neu-Holland, mit der Verbrecher-Colonie Neu-Süd-Wales, ihr nächster continentaler Nachbar, ist von ihr doch immer noch 1200 Seemeilen fern, und kann in gewöhnlicher Fahrt nur erst in 10 bis 14 Tagen erreicht werden. Bei den vorherrschenden Westwinden gehen, diesen entgegen, auch wol 3 bis 4 und mehrere Wochen darüber hin.

Die zwei ungemein hafenreichen Inseln, aus denen Neu-Seeland besteht, liegen nicht, wie England und Irland, ihrer Breite nach neben-, sondern übereinander; ein 4 bis 5 Meilen breiter Meerescanal, nach dem Entdecker Cooksstrasse genannt, trennt beide, oder er verbindet

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sie vielmehr beide im höheren Sinne; denn diesem Lande ist dadurch eben zu Theil worden, was der amerikanischen Landenge von Panama abgeht, eine Durchfahrt der vortrefflichsten Art, welche den Ost mit dem West auf dem kürzesten Wege verbindet. Weil sich in ihrer Ausdehnung von 15 bis 20 deutschen Meilen zugleich die grösste Menge von günstigen Ankerplätzen, Rheeden und geräumigen Hafen zwischen ihren Vorgebirgen beisammen finden, von den fruchtbarsten Ländereien umgeben, so hat man wol ganz folgerecht vorausgesehen, dass in dieser Durchfahrtsmitte, eben hier, das pulsirende Herz und die grossen Schlagadern zu suchen sind, welche dereinst durch den ganzen Organismus und das künftige Staatensystem, dieser Inselgruppe das historische Leben zu verbreiten haben. Denn nur von der maritimen Seite, vom Gestade her, kann die moderne Cultur hier ihren Aufschwung beginnen. Hier nun ist im vorigen Jahre wirklich der Grundstein zu Wellington, der Hauptstadt des künftigen Inselstaates, gelegt. Der Flächenraum beider Inseln, keine volle 4000 deutsche Quadratmeilen, ist der Grösse von England und Schottland ziemlich gleich; ihre Ausdehnung von 200 Längenmeilen von Nord nach Süd würde, auf den Boden Europa's versetzt, etwa der bekannteren Entfernung von München bis zur äussersten Südspitze Italiens entsprechen. Auch die climatische Lage (zwischen 34.5--47 deg. 10' S. Br.) würde dieser Strecke analog sein, nur mit dem Unterschiede, dass Neu-Seeland mehr in der Mitte der Oceane liegt, deren feuchte Atmosphäre bekanntlich Kälte wie Hitze mildert. Die Länderbreite Neu-Seelands übertrifft aber der Italischen Halbinsel Ausdehnung von

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Ost nach West meist um das Doppelte, oft um das Dreifache. Der Schauplatz wäre also an sich gross genug zu einem dereinstigen, seinen Umkreis beherrschenden Seestaat, zu einer Britannia der Südwelt; dem Räume nach grösser als der italische Stammsitz des Imperium romanum in der Mitte des Orbis terrarum der Römer Zeit, da auch um sie her ein weit grossartigerer Länderkreis sich lagert.

Aber wir haben uns nicht in solche neblichte Trugbilder mancher sanguinisch hoffenden Colonisten hineinzuträumen. Zu den äusserlichen, den materiellen Elementen müssen die innern, die geistigen Elemente, zu den an sich todten Raumverhältnissen auch die der belebten, ja der höher begeisterten Welt hinzutreten, um Grosses für künftige Jahrhunderte auf dem Erdenrund zu erzeugen und zu gestalten. Wir befragen hier nur die Gegenwart selbst und die nächste Vergangenheit; aber diese letztere ist es freilich nicht, welche uns für jetzt schon eine glänzende Aussicht auf jenem Gebiete darböte.

Neu-Seeland ist eine Gegend der Erde, an welche die Natur ihre schönsten Gaben freigebig, ja fast verschwenderisch vertheilte, für die aber der Mensch, ihre erste Entdeckung und die letzten paar Jahre etwa ausgenommen, bisher eigentlich gar nichts gethan, vielmehr ihre Gaben nur vielfach gemissbraucht hatte. Sie steht noch auf der Stufe der Kindheit der ersten Entdeckung, und seit der ersten Verwunderung über ihr reiches Gebilde fiel kein lächelnder Blick der europäischen Entdecker auf sie zurück. Nicht einmal eine Fahne der Besitzergreifung wurde auf ihrem Boden von der Nation, die sie entdeckte, aufgepflanzt! Ihr Natursohn, der Mensch, mit

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den herrlichsten, aber freilich verwilderten Anlagen an Leib und Geist ausgestattet, ein Anthropophage, blieb im Cannibalismus zurück, ohne alle wolwollende Vormundschaft der Gebildeteren, die sich weit über ihn erhaben wähnten, und ganz willkührlich oft auf die frechste und empörendste Weise über sein Leben und Eigenthum zu schalten versuchten. Kein Forscher umschiffte seit Cooks, des Entdeckers Zeit (1769), die 800 deutsche Meilen lange Küstenentwicklung der Insel; kein Geognost, kein Botaniker, kein Menschenkenner, keiner der zahllosen wissbegierigen oder auch blos neugierigen Touristen drang in ihr Inneres ein, das demnach eine Terra incognita, ein völlig unbekanntes Land blieb.

Nur erst seit dem letzten Jahrzehend, seitdem hie und da die Heilslehren des Evangeliums in ihrer siegreichen Ausbreitung auch hier, in den Wildnissen der Südseegestade (wie einst in denen an unserer Nordsee), gar manche Herzen der wildesten Völker getroffen, ihre Leidenschaften gebändigt, ja bei diesen Cannibalen sogar einen Friedensverkehr eingeleitet hatten, wurden auch hie und da einzelne Wege durch ihre Klippen und Waldwildnisse gebahnt. Und auch das geschähe doch nur an den Gestaden der Nordinsel, und nur an von den Eingebornen bewohnten Theilen der Küsten. Denn viele andere und der grösste Theil des mit Urwald bedeckten Innern blieb ihnen unnahbar. Diesen ersten Versuchen eines reinern Interesses an der Vermenschlichung jener Urbewohner, der Aboriginer der Doppelinsel, folgte mit dem Bekannterwerden ihrer reichen Ausstattung an Naturproducten und andern gewinnversprechenden Gelegenheiten nur zu schnell auch der Zuzug der Speculanten,

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der Abenteurer, der Glücksritter. Die Tausende von Schiffen aller seefahrenden Nationen der Erde, welche gegenwärtig jährlich die Gewässer der Südsee durchschneiden, die Tausende, welche alljährlich in den benachbarten Hafengruppen von Neu-Süd-Wales und der Van-Diemens-Insel, als Winterstationen, einlaufen, um dort gegen die Südstürme der Antarctischen Hemisphäre zu herbergen, ehe sie zu ihrer europäischen und amerikanischen Heimath zurückkehren, oder auch in China, Indien und den Sundainseln ihren Handel zu treiben; alle diese liefern Vagabunden genug, deren Heil auf Nichts gestellt ist, die sich mit kühnem Wagniss dem Zufall überall gern in die Arme werfen. Zumal auf einem solchen Ländergebiete musste wol ihr Zudrang gross werden, wo noch kein Beobachter ihren schlechtesten Umtrieben im Wege stand, wo noch kein Arm der Gerechtigkeit sie verfolgen konnte, wo noch kein Gesetz galt, keine Art der Ordnung vorhanden, und doch, wie im verführerischen Hazardspiel, weite Aussicht zu Freibeuterei, zu Reichthümern, und selbst zu wilder Herrschaft gegeben war, weil eben da noch keine souveraine Macht sich zur Beherrscherin des Ganzen erhoben hatte. Die Doppelinsel glich einem Schiff, dessen Mannschaft sich selbst zerfleischt, das ohne Lenker zwischen den Wogen des Zufalls umherschleudert und noch von Barbaresken überfallen wird. Diese, von der Beute angelockt, konnten wenigstens wegen des Leibes Nahrung für's erste dort unbesorgt sein. Von den Eingebornen wurden schon längst in dem so ertragreichen Boden süsse, einheimische Pataten, und seit kurzem auch die eingewanderte ergiebige Kartoffel in so grosser Menge gebaut, dass,

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nebst den vielen verwilderten und Zucht-Schweinen an den meisten Uferstrecken, für den gescheiterten oder sonst anlandenden Matrosen keine Hungersnoth zu befürchten war. Und auch die zweite, noch unversiegbarere Quelle der Ernährung, der grosse Fischreichthum in allen Flüssen, Buchten und Baien, stand ihnen überall zu Gebot, da deren Ufer nur von meist wandernden Stämmen, oder von, an Zahl nur geringen Familiengruppen der Eingebornen, durchzogen werden, die bei ihrem nur temporären Aufenthalte, noch niemals den Fremdlingen die Mitbenutzung dieser Naturgaben verwehrten. Die zahlreichen Heerden der colossalen Seethiere, der Seehunde und Wallfische, seit dem letzten Jahrhundert aus den Nordmeeren fast verdrängt, hatten in den Südoceanen noch eine längere Freistatt vor den Verfolgungen der Menschen gefunden; sie schwärmen, zur Zeit noch, in grosser Anzahl an den Südgestaden Neu-Seelands mit ihren Jungen umher. Der reiche Gewinn, den ihre Jagd darbietet, lockt seit dem letzten Jahrzehend unzälige Schiffe und Seegelboote aus der Nähe, zumal von Neu-Süd-Wales, und aus der weitesten Ferne, jedes Jahr, in jene Gewässer. Fast jede Bai, jede Bucht der Doppelinsel, zumal der südlichen, ist schon zu einem temporären Ansiedelungspuncte von Robbenschlägern und Wallfischfängern aller Nationen Amerika's und Europa's geworden, unter denen die Australier und Briten die Hauptzahl bilden, aber auch Franzosen, Nordländer, deutsche Hanseaten keineswegs fehlen.

Die Dienste, welche die kräftigen, ungemein gewandten und arbeittüchtigen Eingebornen bei solchen Geschäfften oder auch beim Niederhauen ihrer eigenen Wälder, zu Zimmerholz, für den Schiffsbau, den Fremd-

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lingen leisten, machen ihre Elementarschule aus, in der sie bis jetzt, nächst den Missionsschulen, diese im Norden, jene mehr im Süden, ihren Anfang zur Europäisirung gemacht hatten. Da lernen sie freilich den Gebrauch der Harpune, des Seegels, des Beiles, der Säge, der Feuerwaffen, der Kleidungsstücke u.s.w. kennen. Niemand wird jedoch ein solches Matrosen- oder Holzhauer-Leben einen Fortschritt der Cultur nennen wollen, wenn auch einen geringem Anfang ihrer Civilisirung, aber noch weit weniger die Vermischungen des Bluts der Farbigen mit den Weissen dazu rechnen. Denn dem temporären Aufenthalte so vieler Ausländer sind auch temporäre Ehen mit den Eingebornen und diesen sehr viele Mischlinge als Kinder gefolgt. Bei dauernd gebliebenen Ansiedelungen, und fortschreitender Verschwägerung mit dem so rüstigen als wohlgebauten Aboriginergeschlechte, ist daraus, wofern nur einige Zucht vorherrschend blieb, eine nicht unerfreuliche Nachkommenschaft herangewachsen, die wenigstens nicht in den Cannibalismus zurückfiel. Wäre nicht die Nähe der Verbrecher-Colonie von Neu-Süd-Wales, aus der nicht selten widerspenstige Flüchtlinge, meist Diebe und böse Schuldner, der schärfsten Visitation jedes abgehenden Schiffes durch die sogenannte Wasserpolizei ungeachtet, entweichen, und, nach Neu-Seeland verschlagen, dorthin die Laster der Europäer zu den Wilden verbreiten, so würde die Insel nur mit ihren eigenen Uebeln zu kämpfen haben. Eine solche Nachbarschaft aber, da das Böse sich schneller Bahn macht als das Gute, öffnet die ganze Büchse der Pandora und überschüttete damit das Neuseeländische Gestadeland, welches dadurch hie und da wol schon den Keim eines Sodom

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und Gomorrha in sich tragen mochte. Die Verhöre in den Parlamentsreports der Heimat haben darüber den Zeitgenossen die Augen geöffnet. Die wilde Kampflust des Aboriginer-Volks, hei dem die Blutrache noch Instinct der Selbsterhaltung war, zügelte zum Glück noch einigermaassen den zu frechen Uebermuth der europäischen Fremdlinge, die auf dem flüchtigen Seegelschiff bald in dieser, bald in jener Bucht ihre Anker auswerfen konnten. Nur wenn europäisch bewaffnete Uebermacht zahlreich bemannter und mit Feuerschlünden versehener, grösserer Schiffe ihnen drohend wurde, mussten ihre geringem Canots weichen. Doch nicht selten folgten Mord auf Mord, diesen, allgemeine hitzige Gefechte und blutige Niederlagen ganzer Familien und Horden. Auch Brand zerstörte dann die Ortschaften der Eingebornen, die trotz ihrer Kühnheit doch meistenteils wegen der Feuerwaffen den Kürzern zogen. Es konnte sich jedoch dieser kleine Krieg nie weit verbreiten, weil die Küsten nur dünn bevölkert, einzelne Buchten immer nur von wenig zahlreichen Stammesgenossen bewohnt sind. Aber fast jede der Küsten hat Mordscenen dieser Art erlebt, und auch von verschiedenen Nationen sind ganze Boots-mannschaften erschlagen, und einzelne von ihnen acht cannibalisch aufgefressen worden.

Viel häufiger jedoch als die Kriegskunst hat die europäische List jene rohe Gewalt überflügelt, und die Habsucht, die Geldgier haben nicht ohne Erfolg ihr Netz ausgebreitet über dieses Doppeleiland, wodurch ein neues Gewebe von Verwirrungen in jenem Irrgarten erzeugt ward. Ein verrufener, nicht wenig zahlreicher Theil australischer Speculanten ist bekannt durch seine unersättliche Ländergier, die ihn zum

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Wucher und zum Hazardspiel mit dieser Art von Besitzthum in jenen dünn bevölkerten Landstrichen der Erde mit oft teuflischer Gewalt fortreitst. Es hat sich zu ihrer Bezeichnung unter dem Volke der allgemein bekannte Name der Landversehlinger (land-shark, Landhayfische) erzeugt. Diese Leidenschaft ist es, die sie (auch viele Amerikaner, und wol auch manchen der Europäer) zu jedem Missbrauche ihrer verfeinerten Uebermacht gegen noch unmündige Völkerstämme befähigt. Viele von ihnen, theils Einzelne, theils Compagnieschaften nach grossem Territorialbesitz begierig, wussten, nachdem ihnen das ähnliche Handwerk auf dem Festlande der Verbrecher-Colonie durch die Gerichte gelegt war, die Herrenlosigkeit der Inselgestade Neu-Seelands wohl zu benutzen. Wöchentlich sähe man in den letzten Reihen von Jahren, aus den Häfen Australiens solche Schiffe mit Waaren und Passagieren am Bord, zu solchem Geschäftbetrieb, zu den Küsten Neu-Seelands abfahren, und mit selbst gefertigten Papierdocumenten über den vorgeblich erkauften Länderbesitz ihrer neuen Herrschaft, zurükkehren. Sie waren nicht ungeschickt, um von den unwissenden Häuptlingen oder Familienvätern jener umherstreifenden, überall nur wenig zahlreichen Horden, oder selbst nur von einzelnen Familienhaufen, die bald an dieser, bald an jener fischreichern Bucht, oft gleichviel wo, ihre temporäre Ansiedelung zu nehmen pflegen, kleinere oder grössere Landstrecken zu erhandeln. Ohne zu wissen, was er verkauft, ohne den Begriffeines begrenzten Landeigenthums zu haben, greift der Neu-Seeländer, in seiner rohen Begier leicht nach einigen bunten Zeugen, einem rothen Tuch, einer goldbordirten Mütze, oder

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nach eisernen Nägeln und Beilen, nach einer Muskete oder Vogelflinte mit Pulver und Blei, und verheisst dafür dem Käufer die Küsteninsel, oder wenn er will, selbst den ganzen sichtbaren Umkreis des Gestades mit Wald und Allem, was ihm vor Augen liegt. Der Europäer schreibt darüber ein Document auf Papier, das natürlich nur er versteht, er lässt es vom Wilden mit seinem Moko, d.i. mit seiner Marke bekräftigen und von seinen Gefährten als Zeugen unterzeichnen, um damit für spätere Zeit sein Anrecht auf die Herrschaft zu beweisen, deren Grenzen nicht seilen von ihm auf das unsinnigste verfälscht und erweitert sind. Der Wilde wirft seinen Angelhaken nun leicht an einer andern Bai aus, legt an ihr seine Bataten-Knollen zur baldigen Ernte in die neue gleichfruchtbare Erde, schneidet auch da die Blätter des Schilfflachses ab, der überall an dem Gestade wild aufwuchert, und baut mit ihnen seine Schilfhütte von neuem schnell auf. -- Der Käufer aber, mit seinem Gefolge, sich den Herrn des Landstrichs dünkend, haut begierig die Wähler nieder, um das trefflichste Bauholz an das Ausland theuer zu verkaufen, oder selbst Schiffe daraus zu bauen; er legt da seine Holzhäuser zur Wohnung an, oder zu Sagemühlen, oder zu Thransiedereien für den Fischfang, oder zu Magazinen für seinen sonstigen Kram; er ladet auch andre Nachzügler zur Unterstützung seines Gewerbes aus der Nachbarschaft ein. Aber an jener zweiten Bai verkauft derselbe Häuptling einem neuen Ankömmlinge bald dasselbe Gebiet, das oft vom Umfang einer ganzen Grafschaft sein mag, ohne Bedenken zum zweiten Male, und schon zum dritten Male hat sich dasselbe Verfahren nicht selten wiederholt. Oder ein fremder

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heranziehender Haufe von Aboriginern, der jenen ersten, seinen Blutfeind, von jenem Gestade verdrängte, hat noch Anderen ganz dasselbe für ähnlichen Kaufpreis übergeben. So entsteht Streit unter den Landverschlingern, da keiner sein Hecht mehr als der andere nachweisen, und keine Behörde richten kann. Da sie gewöhnlich in wilder Ehe mit Gliedern der Familien und Horden leben, die ihnen dann zur Seite stehen, so geht es auch zwischen diesen nicht ohne Streit und Fehde ab. Ein Todtschlag, der dann nicht selten, führt durch Blutrache zu Ueberfällen und Vertilgungskriegen der Horden unter sich, wie der fremden Schwindler, von denen gar Mancher nicht immer so glücklich ist, auf seinem Fischerboote aus der Gefahr und vom Untergange sich zu retten. Die Ueberlebenden aber, und Sieger, sind durch ihre blutigen Thaten oder Listen die grossen Landbesitzer geworden, die mächtigen Weissen im Lande der farbigen Aboriginer, mit deren Häuptlingen sie sich gern verschwägern, um dadurch ihre Herrschaft desto fester zu gründen. Sehr viele von diesen sind die Männer der dortigen Cultur; es sind die Gründer grosser Pflanzungen, der Holzhandlungen, der Fischereien, der Wallfischexpeditionen und grossen Thransiedereien geworden. Sie haben sich meist schon um alle Gestade der Doppelinsel verbreitet und auf viele und weitläuftige Herrschaften daselbst Ansprüche gemacht. -- Unzählige Thatsachen dieser Art sind vor den Gerichten in Sydney und durch den Conseil der colonialen Gesetzgebung in Neu-Süd-Wales, der solche Ansprüche auf Territorialbesitz, obwol erst seit kürzester Zeit zu untersuchen hatte, offenkundig geworden. Sehr viele, ja wol die meisten kleinen

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Kriege der stets so beweglichen Horden der Eingebornen sind hiedurch in neuer Zeit angefacht, wo durch sich ihre Personenzahl fortschreitend vermindern musste. Sic werden zugleich dadurch, wie überall, wo der Culturmensch sich zwischen den Wilden ansiedelt, durch dessen geistiges Uebergewicht von ihren Hemmten, von den fruchtbarem Gestaden in die unfruchtbaren Landstriche zurückgedrängt, wo sie noch mehr in ihrer Hoheit verkümmern oder in ihrer Wildheit fortschreiten, oder gänzlich untergehen müssen. Das Schicksal so vieler aus der Geschichte schon ganz verschwundener Völker der Erde, die Wiederholung des so rasch fortschreitenden Verschwindens der Indianer Stämme ganz Amerika's vor der europäischen Colonisation, wie das der Australier in Neu-Holland, die dort in einzelnen Theilen sogar systematisch ausgerottet sind, bedroht auch ihr Brudergeschlecht in Neu-Seeland mit allmäliger Vertilgung durch den raschesten Culturfortschritt auf ihrem Inselgebiete.

So nun war im Allgemeinen noch vor kurzem, so ist auch heute, wenn schon nur zum Theil noch, der Grauen erregende Zustand des Menschenlebens auf einer Insel, die von der Natur so schön und so reich ausgestattet, durch den Menschen, der rohen wie der verfeinerten Art (die man beide zu den Verwilderten, wiewol nach entgegengesetzten Extremen, zählen muss), in einen Schauplatz der furchtbarsten Ausartung seiner Leidenschaften verwandelt wurde. Völlige Abwendung von jener Antipoden-Welt, hätte man denken mögen, würde demnach von Seiten einer civilisirten Menschengesellschaft die natürliche Folge jenes abschreckenden Herganges haben sein können?

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Aber gerade das Gegentheil hat sich in unsern Tagen zugetragen: denn die britische Population hat sich ihr mit einer gewissen Vorliebe zugewandt.

Das Uebermaass dieser Verwirrung hatte wirklich das grösste Ziel erreicht; sie musste den Gegensatz gesetzlicher Ordnung hervorrufen. Das im Dunkeln schleichende Verbrechen wurde an das Tageslicht gezogen; die Bänke wurden aufgedeckt. Mit der Zunahme der Besucher wurden auch immer mehr Einsichtsvollen, Redlichen und Wohlwollenden die Augen geöffnet. Die allgemeiner erweckte Sympathie der Gebildeteren mit dem Schicksale der Aboriginer Völker, und gegen das Unrecht, das ihnen von allen Seiten durch die Culturvölker angethan ward, führte Vereine zu ihrer Rettung herbei (die Aborigines Protection Society in London). Sie erweckte endlich auch Theilnahme und vormundschaftliche Fürsorge der Privaten wie der Regierungen für die Aboriginer Neu-Seelands. Und eben hierin sehen wir einen erfreulichen Fortschritt, wie uns dünkt, des Zeitgeistes, der, so mancher Rückschritte im Einzelnen ungeachtet, doch zum Heile der Menschheit im Grossen und Ganzen überall sichtbar vorwärts schreitet. Auch die Christlichen Missionen sandten ihre Lehrer nach Neu-Seeland bin; sie hatten den Anfang jenes Fortschrittes herbeigeführt. Sie erreichten durch eine kaum zehnjährige, mit Nachdruck fortgesetzte weise, liebevolle Einwirkung auf die Wilden in verschiedenen Ansiedelungen der äussersten Nordinsel wenigstens, dass diese, ein wahres Wunder unserer Zeit, nicht nur gänzlich von ihrem Cannibalismus abliessen, sondern auch friedliche, gesellige Sitten annahmen, die sich weiter und weiter auch auf ihre Stammes-

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genossen in den südlichen Theilen der Insel bis zu der Cooksstrasse fortpflanzten. Die Farbigen waren es nun, die sich, bei einem glücklicherweise unter ihnen schon geregelten ehelichen Familienleben, sehr bald einer höhern sittlichen Zucht und religiösen Ordnung aus eigenem Antriebe unterwarfen, die heut zu Tage seihst ihre eigenen Familien regelmässig zum Morgen- und Abendgebet in ihren eigenen Hütten mit Lobgesang (denn sie haben, wie ihre Waldvögel, melodische Stimmen und musikalischen Sinn) zum Preise des höchsten Atua versammelten, und in Versammlungshäusern, die sie sich selbst dazu erbauten, zur Sonntagsfeier. Und Alles dies durch den Eifer ihrer eigenen, farbigen, erst christlich gewordenen Missionaren, so dass ein christliches Element bei ihnen wol feste Wurzel gefasst hat. Ja merkwürdig ist es gewiss, dass bei ihnen, zu gleicher Zeit unter Jung und Alt, ein anhaltender Trieb zum Lesen, Schreiben und Lernen, überhaupt zu Unterricht und Schule sich entwickelte, der, auch ohne den fortwährenden Einfluss der Europäer, von Familie zu Familie und von Stamm zu Stamme fortwirkt. Und, als Frucht von alle diesem: eine überraschend schnell fortgeschrittene treue Ergebung und Zuneigung nicht blos zu ihren Lehrern, sondern in Folge ihrer Anerkenntniss der höher stehenden Ausbildung gegen die Weissen, die sie mit dem Namen Pakeha bezeichnen, überhaupt.

Die vermehrte Europäische Einsicht in die reiche Natur und die eigenthümliche Weltstellung dieser Insel, eben so diese aufkeimende Entwickelungsfähigkeit, ja die höchst anziehende und ausgezeichnete Empfänglichkeit, wie die geistigere Ausstattung ihrer

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Aboriginer, wozu vorzüglich auch die milde Gesinnung und die treue Liebe der Frauen zu rechnen ist, lehrte nun schon, dass ihre Bestimmung, im tellurischen Systeme der Schöpfung wie im Entwiekelungsgange des Menschengeschlechts, offenbar eine andere, eine höhere sei, als wie bisher die eines wüsten Eilandes, einer abseits liegenden Herberge nur wilder Völkerhaufen, eines herrenlosen Tummelplatzes barbarischer Hoheit und schändlichster Verbrechen im Contact mit der Civilisation, aber zugleich im Unverbande mit der übrigen Welt. Der einsichtsvolle, gereiftere Blick in den Weltverkehr der Gegenwart, welcher auf ganz neuen mächtigen Adlerschwingen den ganzen Erdball mit der Schnelligkeit last des Gedankens umkreist, zeigte nun zugleich, dass diese Insel, in Wirklichkeit, eine der köstlichsten Perlen bilde in der seitdem nun schon herangereiften Schnur der Handelsstationen um den grossen Länderkreis der Erde durch die Mitte der Oceane. Nämlich dann, wenn sie von einer frommen, gesitteten, ackerbauenden, gewerbetreibenden, seefahrenden Colonisation bewohnt würde, deren Wolfahrt im britischen Gesetz, in der europäischen Sitte und in der christlichen Kirche wurzle, die aber keineswegs die Aboriginer ans der kette der Menschengeschlechter verdrängte, sondern durch weise Bevormundung dieses Volks dasselbe zur Humanität erhöbe und sich selbst dadurch sittlich und körperlich stark machte. Hiedurch müsste ein so gesteigertes Inselgebilde, mit voller menschlicher Belebung in Familie, Staat, Kirche und Weltverkehr, die Stellung eines notwendigen, ja unveräusserlichen Gliedes in dem Systeme der historischen Entwicklung des Erdballs einnehmen,

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dem dieser von Jahrhundert zu Jahrhundert entgegenreift. Jenes ferne oceanische Eiland müsste dann freilich durch regelmässigen Postenlauf, wie ihn heutiges Tags die so schnell verbindende Dampfschiffahrt darbietet, der Zeit nach auch noch in unendlich nähere, räumliche Beziehung zur europäischen Civilisation treten. Durch sichere und leichtere Erreichbarkeit, wie durch ununterbrochene Verbindung, müsste ihre Stellung diejenige mehr einer europäischen Nachbarinsel gewinnen. Dann würde sie nicht mehr ausser dem Wege des grossen Weltverkehrs liegen, sondern das Hauptcentrum der Antipodenwelt auf der grossen Weltstrasse bilden, die den ganzen Erdkreis auf dem directesten Wege von Continent zu Continent, wie in der Mitte der Oceane, durchschneidet und das Gesammte umschlingt.

Doch was wir hier als möglich nur andeuteten, ist mit dem Laufe des vergangenen Jahres schon geschehen und gegenwärtig wirklich ins Leben getreten. Es wurde wirklich die junge Colonisation von Neu-Seeland nach einem humanen Systeme begründet. In Folge derselben nahm die britische Krone dort förmlich oberherrlichen Besitz. Neu-Seeland erhielt die Incorporation in den Staat von Grossbritannien. Als souveraine Macht und als erste Entdeckerin proclamirte die Krone jene Doppelinsel als ihr Colonieland (May 1840). Sic führte dort Gerichtshöfe und britische Verfassung ein. Die Kirche weihte den ersten Bischof der Insel, als Vorstand der dortigen christlichen Gemeinden, wirklich ein (im Herbst 1811), und legte somit durch Alles, was diese Fürsorge begleitet, den Grundstein zu ihrer höheren geistigen Wolfahrt. Der Postenlauf wurde von den

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Westhäfen Englands und Europa's durch den Atlantischen Ocean direct bis zur Landenge Mittel-Amerika's auf regelmässig abgehenden Dampfschiffen wirklich in Stand gesetzt. Diese landen in Porto bello am Chagres-Fluss, von wo Land-Couriere nach Panama gehen. Und eben so regelmässig ist seit Mitte vorigen Jahres von der Westküste Darien, aus dem Hafen von Panama, die Verbindung durch Schnellsegler mit der Doppelinsel Neu-Seeland eingerichtet, welche ihre Mitte in der Cooksstrasse hindurchschneidet und zur Austral-Colonie fortschreitet. Sie wird demnächst noch durch Dampfschiffahrt beschleunigt werden. Auf dieser Route ist die reguläre Leberfahrt von London nach dem Port Nicholson und der neuen Coloniestadt Wellington an der Cooksstrasse auf 70 Tagefahrten verkürzt, da man früher 160 bis 180 Tagefahrten zu Erreichung der Insel bedurfte. Die scheinbar fernste Antipoden-Colonie auf der entgegengesetzten Seite des Erdballs ist dadurch dem Mutterlande England und der ganzen Civilisation West-Europa's um das beinahe Dreifache näher gerückt. Von da sind aber die gleich regelmässigen Ueberfahrten zu und von den Austral-Colonie und Van-Diemensland nach Ostindien, diesem grossen Weltmärkte, im Gange. Wie aber Calcutta, Madras und Bombay über die afrikanische Landenge Suez, die nun mit ihrer amerikanischen Schwester von Panama eine gleiche Rolle im Weltverkehr überkommen hat, von Alexandria durch Dampfschiffe über Malta und Gibraltar mit Europa in directer Verbindung stehen, ist längst allgemein bekannt.

So beginnt denn mit diesen in der That ausserordentlichen, merkwürdig wie auf einen Schlag zu-

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sammentreffenden, grossartigen Begebenheiten für Neu-Seeland mit dem Anfange des vergangenen Jahres eine ganz neue Periode seiner Geschichte. Schon Georg Forst er, der deutsche Begleiter Cook's und Mitentdecker dieser Insel, ahndete diese bessere Zukunft. Als er auf der zweiten Weltumseegelung (1773) von dieser kaum erst entdeckten Insel für immer Abschied nehmen müsste, schrieb er in sein Tagebuch folgende merkwürdige Worte nieder: (Th. 1. S. 394. )

"Vielleicht werden Europäer, wenn sie dereinst ihre amerikanischen Colonien verloren haben, auf neue Niederlassungen in entfernten Ländern bedacht sein; möge nur alsdann der Geist der ehemaligen Entdecker nicht mehr auf ihnen ruhen. Möchten sie die einheimischen Bewohner der Inseln der Südsee als ihre Brüder ansehen und ihren Zeitgenossen zeigen, dass man Colonien anlegen könne, ohne sie mit dem Blute mitschuldiger Nationen zu beflecken! --"

Diese Zeit ist nun aber wirklich gekommen. Nun erst wird es begreiflich, was eine Colonisation, wie die genannte, für eine Bedeutung für die Zukunft erlangen könne! Ja, welche sie, ohne ihre Gipfel erreicht zu haben, doch, durch die rückwirkende kraft ihrer Idee, schon für die nächste Gegenwart besitzen mag! Wie eigenthümlich muss aber auch ihre Gestaltung sein, in einem Lande mit einer solchen Vorgeschichte, welchem der Seegen keinerlei Art, den wir seit so vielen Jahrhunderten, schon in ununterbrochenen Besitze, oft uns bewusstlos und ganz stillschweigend geniesseil, zu Theil ward. Nicht der Seegen lies humangeselligen Lebens, der Civilisation, des Ge-

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setzes, der Kirche, der angestammten Herrschaft, der patriotischen Erinnerung an eine volkstümliche Vergangenheit, nicht die mehr cosmopolitische an eine harmonisch mitfortgebildete Brüder- und Geister-Welt. Zum Verständnils dieser Eigentümlichkeit der Colonisation noch einige characteristische Züge ihres Bodens, dem sie angehören wird, wie des Natur- und Menschen-Lebens, die sie sich anzueignen hat, und -- der Principien, innerhalb deren sie sich bewegen soll.

Die wildschroffen, grossartigen, gestadereichen Naturformen der Doppelinsel, wie J. Cook sie entdeckte und zum ersten Male in mühevollen sechsmonatlichen Kämpfen ganz umschiffte, haben sich seitdem nicht geändert. An der Ostseite, beim ersten Anblick, vier bis fünf hintereinander aufsteigende Bergreihen, in ihrem Hintergründe noch von erstaunlich hohen Schneegipfeln überragt; ein überraschendes Bild aus der Meeresferne. Und dicht an das Gestade herangeschifft, überall gewaltige Zertrümmerungen, steile Vorgebirge, weite Landspitzen, Klippenvorspringe, häufig von Wogen durchbrochene Felsenthore, lieblich bebuschte Inseln, in Buchten an Buchten unabsehbar, und Baien an Baien gereiht. An deren innern Halbkreisen nur schmaler, nackter Seestrand, nur geringere grünende Ebenen; dahinter aber der aufsteigende Fuss der Berge und Vorgebirge mit schwarzgrünen Urwaldungen überzogen, die noch keine Axt durch Menschenhand bis dahin getroffen. Aber ihr eigenes hohes Alter und die Stürme, hatten überall unzälige Riesenstämme darniedergestürzt, die mit der Zeit in Moder versunken, aus ihrer fetten Fruchterde ein jugendliches, hellgrüneres Wahlgeschlecht empört rieben, das von Schlingstauden und Kletter-

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pflanzen überrankt, von Farm, Moossen und Lichenen überwuchert, ein undurchdringliches Netzwerk bildete. Aber nirgends Anbau, überall ernste Einöde. Nur einzelne Rauchsäulen, die in dem Waldsaume aufwirbelten, Hessen dort Eingeborne vermuthen; am Strande sähe man nur wenige Schilfhütten, und quer über die Buchten einzelne Kanots mit dunkelfarbigen, athletischen Menschengestalten hinrudern. Wo man ihnen näher kam, sähe man sie ihre Keulen und Lanzen mit drohenden Gebärden über ihre Köpfe schwingen. Durch den Namen der Armuths-Bay (Poverty-Bay) characterisirte Cook den ersten Eindruck, den diese erste Landungsstelle auf die Seefahrer gemacht, ungeachtet gleich der erste Wald, den sie eben dort zu betreten versuchten, seinem Begleiter, dem Naturforscher Sir Jos. Banks, einen vegetabilischen Reichthum von 20 verschiedenen Arten von Bäumen zeigte, von den ihnen bis dahin auch kein einziger bekannt gewesen war.

Das Nordgestade der Insel zeigte sich mannich-faltiger, milder, reicher an tief einschneidenden Baien, die schiffbare Flüsse mit weiten Mündungen aus dem Innern der Thallandschaften hervorlockten. Die grössern, fruchtbaren Länderbreiten waren von zahlreichern Eingebornen bewohnt, die auf Feldern ihre süssen Bataten anbauten, und die Fremdlinge mit weniger Drohungen empfingen, so, dass hier das Land der Entdeckung wenigstens nicht, wie an der Ostküste mit Blut befleckt wurde. Cook nannte diese Gegend die Bai des Ueberflusses (Plenty-Bay). Hier sähe man grössere und künstlich geschnitzte Kähne, sehr grosse, die europäischen an Umfang weit überbietende, aus einheimischen Flachs geflochtene Netze

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zu Fischereien, überhaupt mehr Wolstand unter den Aboriginern, von schönerem Menschenschläge. In diesem mildesten, wärmsten Theile der Insel mit italischem, nur viel feuchterem Clima, trägt heutzutage die dort angepflanzte liehe schon ihre schmackhaften Trauben, der europäische, dort schon verwilderte Pfirsichbaum die reichlichsten Früchte, die Melone und Feige reifen hier, und selbst die Orange möchte nach bisher gemachten Versuchen, mit der Zeit dort zu erzielen sein. Alle europäische Obst- und Korn-Arten, wie Gerste, Weitzen gedeihen ganz vorzüglich; viele Gemüse, auch die Kartoffel, die sich von hier aus mit ungemeiner Schnelligkeit bei allen Aboriginer-stämmen um den ganzen Küstensaum der Insel verbreitet hat.

Alles dies sind schon eingewanderte Gaben. Denn zur Zeit des Entdeckers machten, selbst in diesem mildesten Inseltheile, nur wenige Wurzelarten fast die einzige, ärmliche vegetabilische Nahrung der Aboriginer aus, von welcher der Flaschenkürbis und die süsse Batate (Convolvulus batatus) die einzigen, wiewohl nur roh angebauten, und die eines überall wildwachsenden Farrnkrauts (Acrostichum furcatum) mit den faden, süsslichen, wenig nährenden Wurzelknollen, die bedeutendsten waren. Der überschwengliche Fischreichthum der Gestade und das Federwild der Wälder mussten den Nahrungsstoff ersetzen, der dem Hoden des Landes durch seine eigentümliche Vegetation versagt war. So zeigten sich an den Nordgestaden ausser der Bay des Ueberflusses, auch der anstossende Hafen und inselreiche Golf mit dem schiffbaren, grossem Flusse aus dem Innern, dem man, wegen seiner lieblichen, wiesenreichen Uferge-

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lände, den Namen der Themse gab: so die inselreiche Bay (Bay of Islands) mit ihrem halben Dutzend trefflicher Häfen, deren radiirende Lage man mit der Fünffingerhand verglichen hat. In allen diesen Formen, die auch an den Südenden der Insel vorherrschen, ist die Fiordenbildung Norwegens (wie um Bergen und Christiania) und Schottlands, das durch die der Teith Clyde bei Edinburgh und Glasgow so berühmt ist, unverkennbar.

Hier, in dem mildesten Theile der Doppelinsel, hat sich ihr Natursolm, der Eingeborne, auch am begabtesten, am empfänglichsten für europäische Bildung gezeigt. Die jüngere Generation hat ihre Grausamkeit abgelegt, ihre Blutrache gegen Feinde aufgegeben, weil die Angreifer verschwunden sind. Sie haben aber das Bewusstsein ihrer Selbständigkeit und ihr nationales Ehrgefühl sich erhalten. Sie gehen gekleidet wie der Europäer und ahmen seine Sitte nach. Sie sind im Land- und Gartenbau, in Betreibung von Holzschlag, Sägerei, Holzflössen, Mühlenbau, Schiffszimmerei, in der Seefahrt, Marktwesen, im Handel und Wandel seine ungemein gelehrigen Schüler geworden. Aber ihre Häuptlinge haben ihre angestammte Würde nicht aufgegeben. Sie sind arbeitsam von Natur; gastfreundliche Aufnahme und Bewirthung des Fremden ist ihre allgemeine Sitte; friedfertig sind sie erst geworden. Nur persönliche Beleidigung reizt, wie ehedem, so noch heute, ihre wilde Leidenschaft auf; da es aber bei ihnen einen einheimischen Gebrauch gibt: "Utu" d.i. Bezahlungen für Beleidigungen zu fordern, zu welcher der Europäer, um härtern Ahndungen zu entgehen, sich leicht durch ein Stück Zeug oder einige Cigarren versteht, so sind

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Streitigkeiten äusserst selten geworden. Ihr feierlicher Pathos bei öffentlichen Verhandlungen, verbunden mit ihrer Neigung zur Geselligkeit, ihr fröhlicher, burlesker Humor, ihr Mutterwitz, ihre Vorliebe zu Kartoffeln, ihre Leidenschaft zum Tabakrauchen, wofür sie Alles hingehen, -- ihre sonstige Gleichgültigkeit gegen die Bequemlichkeit, wie gegen Wind und Wetter; ihr tief ergreifender, religiöser Sinn, der sie leicht zum Enthusiasmus steigert, -- Alles diess hat gemacht, dass die Briten und Schotten sie wiederholt mit ihrem heimatlichen Nachbar, dem Irländer verglichen, aber stets in ihnen eines der begabtesten Aboriginer Völker der Erde anerkannt haben. Ihre Frauen, auf denen die grosse Last fast aller Arbeit ruht, sind bei einem vorherrschend ernsten Zuge ihres tiefen Gemüthes, die treuesten Gattinnen und die liebevoll sorgendsten Mütter für das Wolergehen ihrer Kinder. Sie zerfliessen in Thränen und zerfleischen sich seihst in ihrem noch ungebändigten Schmerze mit Muschelschaalen bis auf das strömende Blut bei dem herben Verluste ihrer Geliebten. Ihr grosser nationaler Vorzug vor Europäern, den sie bis heute noch, beide Geschlechter, fast allgemein bewahrt haben, ist ein natürlicher Widerwille gegen geistige Getränke.

In diesen nördlichen Heimatsitzen ist es, wo die christlichen Lehren der protestantischen Missionen und ihr musterhafter Lebenswandel einen fast allgemeinen Eingang und Nachahmung gefunden, und sich durch diese nördlichen Stämme auch zu ihren südlichen Brüdern mit einer überall humanem Entwicklung bis an die Cookstrasse verbreitet haben. In einer zukünftigen Culturgeschichte von Neu-Seeland werden die Ufer der Themse-Bay der Hauptsitz der

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Missionen, als erster Aufgang dortiger Morgenröthe, eine wichtige Stelle, wie etwa einst auf germanischem Waldboden zu Bonifacius Zeit die gelichtete Waldstelle der Buchau, einnehmen. Während in den andern Theilen der Insel meist nur durch Holzzäune verschanzte, auf sichern Klippen erhöhte Dorflager sich zeigen, sind dagegen hier die zahlreichsten friedlichen Dorfschaften der Aboriginer entstanden, die ihre Schulen durch eingeborne Farbige leiten, die ihren Boden durch Kornäcker, Kartoffelfelder, Maispflanzungen, Gartenanlagen, und durch reinlichem, netten Hüttenbau, wie durch Lichtung der Wälder in liebliche Culturlandschaften mit parkähnlichem Aussehen umwandelten. Von hier aus haben schon mehrere Aboriginer, Farbige, für das Heil ihrer Mitbrüder begeisterte Missionare, ihren Wanderstab, zur Gesittung und Bekehrung ihrer noch wilderen Landsleute im Innern und im Süden der Insel, und nicht ohne Erfolg ergriffen. An der Eilands Bay, welche durch ihren gedrängten Hafenreichthum der bisher günstigste Sitz der Industrie, Handel, Gewerbe und Seeschifffahrt war, wo jährlich Hunderte von Schiffen vorüberziehen, und stets eine nicht unbedeutende Anzahl grosser und kleiner Kauffahrdeifahrer der Südsee, Nordamerika's, Neu-Hollands und Grossbritanniens vor Anker liegt, ist im vorigen Jahre der Grundstein zur Stadt Rüssel gelegt, die zum britischen Gouvernements-Sitze bestimmt ist. Keine der andern Seiten der Insel kommt indess diesem Nordende im Fortschritt dieser Art von (Zivilisation gleich, bei der auch die Schattenseiten, die wir schon früher bezeichnet haben, nicht fehlen.

Die ganze Westseite der Doppelinsel ist einför-

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migeres, wegen vorherrschender Weststürme noch weniger besuchtes Küstenland, in dessen Mitte aber am trichterförmigen Eingänge der Cookstralse, die hohe Pyramide des Berges Egmont sich wie ein Pik von Teneriffa majestätisch bis zu 10,000 Fuss erhebt; aus weiter Ferne schon die ersehnte Landmarke für jeden europäischen, vom Westen her steuernden Schiffer. Sein stets von Wolken umspieltes kühnes Schneehaupt ist schon zum Wegweiser zahlreicher Colonisten geworden. Denn an seinem weit vorspringenden breiten Nordfuss, der in besonders wiesenreiche, wellige Gelände, und dann in eine treffliche Hafenbay absinkt, ist die jüngste Coloniestadt von ihrer altern britischen Namensschwester, nämlich Neu-Plymouth, aufgebaut. Sein Fuss gegen Südost aber geleitet in den innersten Canal der Cookstrasse, welche zu beiden Seiten ihrer Gegengestade von Natur mit den treflichsten Schifferstationen und Hafengeländen ausgestattet, die Londner Compagnie zur Anlage der Haupt-Colonie-Stadt Wellington vermocht hat.

Innerhalb jener fiordenartigen Zerreissung der Hauptinseln durch diesen Meeresarm von zwanzig bis dreissig G. Meilen Länge von W. nach O. und zehn bis fünf Meilen Verengung, ist jener concentrirteste Hafenreichthum durch die vollständigste Querverbindung von Meer zu Meer zwischen beiden grossen Nord- und Süd-Inseln hindurch, für Ansiedlung und Belebung im grossartigsten Maassstabe, jüngst von unschätzbarem Werthe geworden. Hier verweilten schon die ersten Entdecker in den verschiedenen sichern Hafenplätzen am längsten und zu wiederholten malen, weil sieh hier Alles beisammen

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fand, was sie damals zur Ausbesserung ihrer Schiffe, zur Erholung und Erstarkung ihrer Mannschaft bedurften: Schutz gegen Stürme, treflicher Ankergrund, unerschöpfliche Fülle vorzüglichen Zimmerholzes zu Mastbäumen und zum Schiffbau, frisches, reichliches und gesundes Trinkwasser, überschwenglicher Reichthum an köstlicher Fischspeise, an Bataten und heilsamen wilden antiscorbutischen Kräutern (Kresse, Sellerie, Löffelkraut), und eine -- wiewol fort und fort windbewegte, doch so ausserordentlich gesunde Luft, dass jenes damals durch viele Strapatzen und Krankheiten, innerhalb der Tropen meist erschöpfte Schiffsvolk jedesmal vollkommen gestärkt, als liefen sie eben erst vom Hafen der Heimat aus, und wie neu geschaffen, den neuen Kämpfen entgegen gingen, die ihrer in den antarctischen Zonen warteten. So wurden die Blinden-Bay, der Königin Charlotten-Sund, die Admirals-Bay, die Ships-Cove und viele andere, in dieser glänzenden Reihe der Stationen, an ihrem Ostausgange zumal die Wolkige Bay befunden, von denen damals doch nur diejenigen, welche die Nordküste der grossen Südinsel bilden, vorzüglich benutzt wurden. Der Fortschritt der Entdeckung hat aber in unsern Tagen gezeigt, dass auch das nördlicher liegende Gegengestade denselben Naturschatz herbergt, der für eine seefahrende Nation den höchsten Werth eines Landes bedingt. Deshalb ist es eben hier, im Port Nicholson, wo gegenwärtig die neue Coloniestadt Wellington, als künftiger Mittelpunct des Grosshandels und als erster Seehafen des neuen Colonialstaates, ausgebaut wird.

Südwärts von da streckt sich die grosse Südinsel noch an 100 G. Meilen weiter gegen die Polarseite der

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Erde hinab, mit noch höhern, kühner emporgehobnen, zusammenhangenden Bergketten, längs ihrer ganzen Mitte. Schneefelder schmücken die einzelnen Kiesenpiks, die aus dem langgestreckten ganz nackten Fels-rücken hervorragen. Ihre mannichfach abstufenden Vorberge sind, bis zum zerrissenen Gestade, mit dem grünen, dichtesten Mantel colossaler Urwaldungen überlagert, ein Schatz von vielen Millionen für künftige Jahrhunderte, der aber wegen der ungemeinen Steilheit der Formen nur schwer zu heben ist. Ueberall zwar zahllose Buchten und Baien, aber nirgends weite Thalbildungen, jedoch noch ungezählte, unbesuchte Engklüfte und Felsspalten von tosenden Gebirgsströmen durchrauscht und von den prachtvollsten Wasserfällen durchstürzt. Eine hochnorwegische Gebirgsnatur, gegen welche selbst die schottische und so gepriesene von Wales und Cumberland zurückweichen muss. Doch bat das äusserste Südende der Insel noch immer den Vorzug eines sehr milden südenglischen Clima's, wo zwar liegen, Wolken und Stürme nicht fehlen, aber der Schnee im strengsten Winter doch nur selten auf mehrere Tage liegen bleibt, wo das Immergrün der Wälder und Myrtengebüsche die Landschaft das ganze Jahr hindurch lieblich schmückt, Bataten und Mais treflich gedeihen. Hier war es, wo der sinnige G. Forster, der deutsche Naturforscher, Monathe lang mit Cook verweilend, in der wildromantischen Landschaft der Dämmerungsbay (Dusky Bay) an den Mahler-Styl Salvator Rosa's erinnert wurde. Menschen und Viehheerden fehlten wol dieser abgelegenen, ernsten Einsamkeit; aber der melodische Gesang zahlreicher Waldvögel bei Tagesanfang gab ihm Anklang an europäische Heimat; das Geflat-

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ter der Papageienarten zur Mittagsstunde, im schattigen Laubgewölbe so prachtvoller Wälder, versetzten ihn in subtropische Gegenden der Erde; aber die nackten Klippen der Meeresbucht, auf denen sich jeden Abend die fetten Gruppen der glänzenden Seehundkälber, wie Proteus Heerden, zum Nachtlager versammelten. führten ihn in die wahre Breite der antarctischen Nachbarschaft zurück.

So, im Allgemeinen, das grosse Inselland, das durch seinen vorherrschenden aipinen Gebirgscharacter und seine reiche Gestadeentwicklung wol nie zu einem Agriculturboden sich umwandeln wird; doch fehlen die sehr häufig sporadisch zwischen den Gebirgsgauen vertheilten ungemein fruchtbaren Ackerflächen nicht ganz, wenn sie auch hier keinesweges, wie z.B. diess in ganz Ost-England der Fall ist, eine vorherrschende zusammenhängende grössere flache, des Kornbaues fähige Landschaft bilden. Auf verhältnismässig schmalen Raum fällt zu beiden Seiten der sehr lange Gebirgszug gleichmässig zum Meere ab, wodurch die zersägte Küstenentwickelung Neu-Seelands im unmittelbaren Contacte mit dem Berglande von ausserordentlicher Ausdehnung wird. Dieses fiordenreiche Gestade, mit seinem Fisch- und Waldreichthum, gibt den Fingerzeig einer vorherrschend maritimen Colonisation, die von vielen einzelnen vorzüglich begünstigtem Localitäten ausgehen muss, und sich von da, nur allmählig streckenweis, in den weitern Thalbildungen gegen das Innere der Insel ausbreiten kann. So wurde einst das Südende Italiens und Sicilien (Gross-Griechenland) durch die Hellenenstämme, vom Gestade aus, colonisirt, wie die berühmten Namen der dortigen Küstenstädte zeigen,

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denen keiner des Binnenlandes an Ruhm gleichkommt. Aber die reiche Wasserfälle, wenn schon kein grosser Landstrom (an dein gewöhnlich zuerst die Civilisation innerer Länderräume sich auszubilden pflegt) grössere Thallandschaften Neu-Seelands durchschlängelt, macht dieses Inselland zunächst wol mit der Natur des langgestreckten Norwegens vergleichbar, nur mit dem Vortheile einer doppelten Gestadebereicherung nach beiden Seiten: nicht blos gegen West, sondern auch gegen Ost. Und hiezu kommt das Uebergewicht der milderen, climatischen Stellung. Die Productionen beider sind auch keineswegs so ungleich für entgegengesetzte Hemisphären.

Der mineralogische Schatz von Neu-Seeland ist noch nicht aufgeschlossen, weil sein Gebirgsland unerforscht blieb; noch ist ihm bis jetzt jede Art des Metalles erst von aussen her zugeführt; aber sein Steinkohlenseegen, der sich jüngst erst an seiner Südwestküste aufgethan, scheint dort ein neuseeländisches New-Castle mit seiner Industrie vorzubereiten.

Von Seiten der Fauna ist dieses Land aber nur stiefmütterlich bedacht; kein Raubthier zwar, aber auch kein einziges grösseres, vierfüssiges Landthier ist hier einheimisch; nur das verwilderte Schwein am sumpfigen Gestade und der gesellige Hund, der den Menschen in alle Einöden begleitet hat, geben, ausser Ratten und Mäusen (welche die Aboriginer aber erst als Miteingewanderte der Europäer bezeichnen) -- dem Neu-Seeländer seine einzige sparsame Fleischnahrung. Ob auf dein dortigen nackten Hochgebirg vielleicht noch eine Gemsen- oder Llama-Art aufzufinden sein mag, wird die Zukunft lehren. In diesem Lande der Heerdenpflanzen fehlte jede Art der Thier-

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heerde; und alles Zuchtvieh, wie Ziegen, Schaafe, Rinder und Pferde sind erst eine Zugahe ihrer Culturwelt. Schon J. Cook machte die ersten Versuche, diesen nothwendig gewordenen Hausstand cultivirter Völker, dort anzusiedeln; die Ziegen scheinen am besten gediehen zu sein, sie haben sich schon weiter verbreitet. An Heerdenreichthum muss Neu-Seeland noch lange Zeit (ja wohl für immer) hinter seinem Nachbar Australien, dem üppigsten Wiesenlande, mit dem grössten Heerden-Seegen aller Art, zurückstehen; da ihm das Wiesenland, fast (mit wenigen Ausnahmen) gänzlich fehlt, weil dem Boden Neu-Seelands fast alle Gramineen- oder Gras-Arten, welche die Bedingung des Heerdenlebens ausmachen, von der Natur versagt sind. Die feineren, nährenden, milchgehenden, dichtgedrängten Gras-Arten, welche den schönen, saftigen, europäischen Wiesenschmuck in den Ebenen bilden, und als Schweizermatten mit den duftenden Alpenkräutern, die Berghöhen der Hoch-Alpen, so reizend und auch für Menschen erst durch Sennenwirthschaft bewohnbar machen, fehlen auf Neu-Seeland. In der Tiefe sind sie durch strauchartige, trokne, hartstenglichte Farrnkräuter verdrängt, oder durch fibröse, zähe, schilfartige Gewächse, unter denen der durch seine Festigkeit und Weichheit so berühmte neuseeländische Flachs (Phormium tenax) am allgemeinsten, alles Gestadeland und alle Ebenen oder welligen Höhen dicht überwuchert. Nur erst, wo der Anbau oder der Waldbrand, durch Dung und Asche, die Erdkrume verwandelt hat, können künstliche Wiesen und Heu durch Aussaat erzeugt werden. Das idyllische Hirtenleben war also dem Aboriginer Neu-Seelands versagt, wie auch das Jagdleben andrer Völker,

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die im Kampfe mit grossem Raubwild, mit Löwen in der Tropen-, mit Bären in der Polarwelt, ihrer Kraftentwickelung Spielraum gaben. Daher vielleicht, dass hier der Mensch eben diese, im höchsten Grade der Leidenschaft, auf die blutigste Weise, gegen sein eigenes Geschlecht wandte, aber zur Ehre der menschlichen Natur auch so schnell von diesem Cannibalismus zurücktreten konnte, als ihm neue Wege zur Anwendung seiner Kräfte und geistigere Interessen gewiesen wurden. Auch das Waldleben blieb dem Neuseeländer fremd, da ihm die Axt und das Eisen zum Fällen fehlte. Nur in diesem mörderischen Bruderkriege, in dem Fischerleben, dein Seeleben und dem Familienleben ging bisher die ganze Existenz eines der begabtesten Aboriginervölker der Erde auf.

Sollte die Neu-Seeland-Colonisation, wenn sie, wie allgemein, als ein dringendes Bedürfniss britischer Populationszustände in ihrer hoch cultivirten Heimath betrachtet wurde, nicht auch zugleich als ein eben so dringendes zur Erhaltung und Veredlung jenes Aboriginergeschlechtes anzusehen sein! Seit Cook's Entdeckung war hier keine abgesonderte Naturheimath mehr! Es traf also die Civilisation der Europäer-Welt, wie überall auf dem Erdenrund, so auch hier, in Conflict mit dem Lande, das seine Naturschätze darbot, dagegen viel neue Gaben empfing, und mit dem Volke, das (aus etwa 100,000 Individuen bestehend) durch die Gewalt der Tradition, von aussen und durch den Schwung der Zeit mit fortgerissen werden musste, zu einem neuen historischen Lehen, in dem das alte sich heben oder untergehen muss. -- In diesem allerdings noch gewagten Kampfe sehen wir gegenwärtig das Schicksal Neu-Seelands vor unsern Augen sich mit raschester Entwicklung gänzlich umgestalten.

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Und nun noch mit wenigen Worten die Andeutung, in welcher Weise in diese Umgestaltung die besondere Colonisation miteingreift, deren glänzenden Erfolg, gleich beim ersten Schritt, wir schon im Anfange unserer Untersuchung erwähnten. Nur an zwei Stellen und eist seit zwei Jahren, ist bis jetzt diese Colonisation in Wirksamkeit getreten; zu Wellington am Port Nicholson und zu New-Plymouth am Fuss des Berges Egmont. Wir haben das Characteristische ihrer Lage bezeichnet. Die Gründung der dritten Coloniestadt, Nelson, ist im Werden, ihre Localität aber noch unbekannt, da sie erst gegenwärtig in der dortigen Sommerzeit daselbst durch die Agenten der Gesellschaft ermittelt wird. Seit dem Jahre 1825 hatte Neu-Seeland als ein neues, reiches Emigrationsfeld für Grossbritanniens Uebervölkerungs-Noth die allgemeinste Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es war seitdem ein Gegenstand vieler Projecte, Debatten, Pläne, bei Privaten und dem Gouvernement gewesen, um diesem Lande eine Gesetzgebung zu verleihen, das Princip australischer Colonisation auch dahin zu übertragen, dessen Übeln Einfluss auf die Aboriginer aber zu vermeiden, und dein Verderbniss des Vagabundenlebens auf Land und Leute eine Grenze zu setzen. Aber drei verschiedene Associationen mussten wegen Mangel an Mitteln, wegen der Differenz der Principien und der grossen Schwierigkeiten in der Lösung einer solchen Aufgabe wieder auseinandergehen, bis es der letzten gelang, durch Reorganisation im grossartigsten Maassstabe auszuführen und zu erreichen, was im kleinem unmöglich schien. Es war ein kreis von hochgebildeten Männern, nur mit Privatmitteln, ohne allen Bei-

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stand der Krone, aber von tief practischer Einsicht, von vielfacher Erfahrung und -- von bedeutendem Vermögen, zusammengetreten, dem eine grosse Angelegenheit der Menschheit, sowol die des eignen britischen Vaterlandes, wie das der Aboriginer auf der oceanischen Insel am Herzen lag. Ihrer Meisterschaft in der Praxis des Weltverkehrs, ohne niedere Gewinnsucht, alter mit dem ächten Speculationsgeist, schien der Zeitpunct zur Hebung eines Schatzes für sich und Andere gekommen zu sein. Und sie irrten sich nicht. Ein Capital von 100,000 Pfd. St. wurde von diesen Directoren schon als hinreichend zur Ausführung ihres grossen Planes erachtet. Es war in 4000 Actien, jede zu 25 Pfd. St., in wenigen Tagen zusammengeschossen. Alsbald wurde ein Schiff mit dem ersten Agenten der Compagnie zum Länderkauf nach Neu-Seeland abgeschickt. Aber nicht, wie bisher, nach Zufall und Ueberlistung, sondern mit Ueberlegung, um den besten Landstrich für einen reichlichen Preis, auf eine rechtlich zu rechtfertigende Weise, von den Eingebornen zu erkaufen, und so zugleich allen den schon unzäligen Schwindlern, die für Nichts dasselbe versuchten, in den Weg zu treten. Diesmal mochten etwa an Waaren 10,000 Pfd. St. in 'Werth, auf diesen Einkauf verwendet werden. In diesem auserwählten grossen Landstriche sollte die auserwählteste Stelle sogleich, von vorn herein, zur grössten Handelscapitale bestimmt und dein gemäss eingerichtet werden. Jede bisherige Colonisation war immer zunächst ein Rückschritt der Colonisten aus einem bessern in einen schlimmem, unbequemem Zustand gewesen; diese sollte dagegen ein Fortschritt sein, und zu gleicher Zeit alle Vorzüge der Cultur-

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heimat noch in einem gesteigerten, entwickelteren Maasse auf die neue Ansiedlung übertragen. Schon die Realisirung dieser Hauptidee, welcher das Vertrauen des britischen Publicums vollkommen entsprach und ungemessne Theilnahme erweckte, sicherte nicht nur dabei das ausgelegte Capital, sondern führte in kürzester Zeit einen nicht geringen Gewinn beim Wiederverkauf der Ländereien herbei. Zu beiden Seiten der Cookstrasse wurden grosse Landstriche (an 1500 Geogr. Quadratmeilen) auf die genannte Weise erworben, aber doch eigentlich davon nur etwa der zehnte Theil (die Küstenstrecke nämlich) wirklich in Besitz genommen, an 150 Geogr. Quadratmeilen Compagnieland, was auch späterhin von der Souveränität der Krone als Eigenthum der Compagnie anerkannt und bestätigt wurde. Die Häuptlinge der dort sehr zerstreuten Aboriginerhorden erhielten dafür ansehnliche Vorräthe an Waaren, Feuerwaffen und Capital, deren Werth ihnen keineswegs unbekannt war, indess sie, bei ihrem unendlichen Ueberfluss an ödem, von ihnen ganz unbenutzten Länderbesitz noch immer keinen Begriff von dessen Territorialwerthe hatten, der ihnen auch nur erst durch den Fortschritt der Colonisation entstehen kann. Der vortreflichste der Häfen, Port Nicholson, wurde aufgefunden, der alles Wünschenswerthe in sich vereinigt: hinreichende Grösse, Schutz gegen alle Stürme, sichre Einfahrt, natürliche Befestigung, bequemen Hügelboden zur Stadtanlage Wellington, fruchtbares Garten- und Ackergelände von hinreichendem Umfang, von einem schiffbaren Flusse durchschlängelt, mit weiter Mündung zum Hafen; endlich in der Nähe die reichsten Zimmerholzwaldungen zu Schiff-

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bau und Häuserbau, und -- Alles dies an der grossen Durchfahrtsstrasse zwischen dem äussern Meere der Südsee und dem innern der Austral-Colonie gelegen. Eine gewisse Anzahl Aecker (1100) wurde zum Anbau der Stadt im nobelsten Style der Heimat, eine weit grössere Anzahl Aecker (110,000, nahe an acht deutsche Quadratmeilen) zu Garten- und Feldbesitz der Stadtbewohner bestimmt. Beide wurden in zusammengehörige, gleichgrosse Parcellen zu ermässigten Preisen (jeder Acker engl, zu 1 Pfd. St.) verkauft. Alles Landgebiet ward sogleich von Ingenieuren aufgenommen und gemessen, in Karten und Plänen zur allgemeinsten Kenntniss gebracht. Der einsichtsvoll geregelte Stadtplan hatte seine Strassenzüge, Marktplätze, Quays, Brunnen, Canäle, Parkdistricte, Schiffswerfte, und Bestimmungen für Kirchen, Schulen und andre öffentliche Gebäude erhalten. Alles dieses Land, zum gemeinen Besten der Colonie, trat die Compagnie, ihrem Princip gemäss, ganz unentgeltlich, ohne Bezahlung ab.

Durch die Zweckmässigkeit dieser Anordnung wurden alle nur möglichen Vortheile für den neuen Wohnort erzielt, der nun zunächst nicht die armen, sondern die reichen Colonisten in Masse an sich zog, wodurch eben der Werth derselben Grundstücke jener Haupt-Colonie, in schnellster Progression, immer höher und höher stieg. Die Zahl der ärmern oder unbemitteltem Colonisation, nämlich der eigentlich arbeitenden Ciasse, war man nun sicher, musste jener wohlhabendern schon in sehr bedeutender Menge nachfolgen; weil eben durch viele arbeitenden Kräfte (durch welche dort Alles neu zu schaffen war) jener Grundbesitz seinen steigenden Werth erst erhalten konnte. Diesen frisch-

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sten Nachwuchs der Colonisation sicherte noch vollends die Compagnie durch ihre kluge Mässigung indem nächsten, unmittelbaren Antheile, den sie an dem merkantilen Gewinn ihrer Speculation nahm. Sie begnügte sich nämlich mit 25 Procent an der Summe des Verkauf-preises ihrer Ländereien, bestimmte aber die übrigen 75 Procent dieses Ertrags blos und ausschliesslich finden Vortheil der Colonisation, nämlich arbeitende Colonisten beiderlei Geschlechts zu gewinnen, sie kostenfrei überzuschiffen und zu Gründung von Instituten der mannichfachsten Art, um nicht blos für das leibliche und materielle, sondern auch für das höhere, geistige Wohl der jungen Colonistenschaar vom ersten Moment an zu sorgen.

Niemals ist wol für eine Ansiedlung auf gleiche Art von einer Geschäftsverwaltung, eine so weise und generöse Fürsorge getragen worden, und nie hat vielleicht eine commercielle Compagnie dennoch so grossen Vortheil von ihren Auslagen gezogen. Durch sie wurden Kornvorräthe, Magazine, Bank, Gasthäuser aufgebaut. Eine Neu-Seelandszeitung wurde herausgegeben; Prämien für die neue Industrie, zumal für die durch Maschinerien zu veredelnde Bereitung des Neu-Seeland-Flachses ausgesetzt. Durch sie wurden Unterrichtsanstalten, eine Schule für Landingenieure, eine höhere Bildungsanstalt für Colonistensöhne, die sich dem Colonial-Leben widmen wollten, angelegt und viele andere Einrichtungen ähnlicher Art getroffen. Hiedurch wurde sogleich die colonisirte Portion von Neu-Seeland einem entsprechenden Stücke von Alt-England in Allem gleichgestellt, ja noch weit höher gehoben, weil hier die Contraste von im Uebermaass drückenden Reichtum und in Angst versetzen-

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den Pauperismus, wie in der Heimat, wegfielen. Beide Extreme konnten an sich schon hier keinen solchen verderblichen Gegensatz erzeugen, wie in der Heimat; vielen Uebeln der grossen britischen Städte war dadurch vorgebaut. Die ganze Anlage war arithmetisch-statistisch darauf berechnet, ein grösseres Gleichgewicht in dem Verhältniss der bürgerlichen Existenz auf dem jungfräulichen Boden zu begünstigen. Als schon im folgenden Jahre eine zweite Coloniestadt, nach denselben Principien, wie die erste, nämlich Nelson, anzulegen beschlossen werden musste, wurden volle 50,000 Pfd. St., der Verkaufssumme der Grundstücke, gänzlich für das höhere Bedürfnils derselben verwendet. Nämlich: 15,000 Pfd. zur Erbauung von Kirchen, Schulen und zu religiösen Zwecken, 15,000 zur Gründung einer gelehrten, einer Hochschule für Neu-Seeland, und 20,000 Pfd., um die Dampfschifffahrt-Verbindung, die der ganzen Australwelt, zu Gute kommen wird, zwischen Europa und Neu-Seeland in ununterbrochenen Gang zu setzen; und auch eine Verbindung mit Südamerika einzuleiten, die gegenwärtig schon mit Valparaiso in Chili im Beginnen ist. Den schlagenden Beweis gegen so manche Insinuationen und Verdächtigungen, die auch hier, wie bei jedem Fortschritt zum Bessern nicht fehlten, gab die Colonisations-Gesellschaft dadurch, dass sie keineswegs, um sich den Alleingewinn ausschliesslich zu sichern, etwa andern Bestrebungen wahrer, humanisierender Colonisation für dieselbe Insel eifersüchtig entgegentrat. Im Gegentheil, sie hatte nur den Weg zum Bessern bahnen wollen. Sie förderte daher gar manche andre, zu ähnlichen Zwecken und mit ähnlichen Principien sich bildende Corporation und ihrem

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Beispiele nachfolgende Filial-Anstalten. Die grossartigste von allen diesen, die New-Plymouth-Compagnie, verdient hier wenigstens noch angeführt zu werden, weil sie, mit noch mehr Mitteln, eine noch grössere Coloniestadt (New-Plymouth) für die auswandernde Bevölkerung des überfüllten West-Englands zu gründen beschloss und dies auch ausführte. Von einem edeln Nationalsinne für das leibliche und geistige Wohl ihrer auswandernden Landsleute belebt, hat sie für deren Zukunft fast noch mehr Sorge getragen. Ihr Unternehmen wurde von der Neu-Seeland-Compagnie mit offenen Armen, als nach demselben Hauptziele strebend, aufgenommen.

Als nun endlich auch die Thätigkeit einer besondern, neuen religiösen Missionsanstalt, die sich in GlasgoWzum Besten der neuseeländischen christlichen Gemeinden bildete, das Bedürfniss eines Bischofssitzes auf der Doppelinsel, als ungemein dringend, für diese so schnell heranwachsende Colonie hervorhob, war die Neu-Seeland-Compagnie, ihrem Princip gemäss, augenblicklich bereit, auch diesem aus ihrer Mitte eine hinreichende Dotation zu verleihen. Im letzten Oktober wohnten wir den Einweihungen dieses ehrwürdigen Geistlichen bei, der gegenwärtig als Hirte seiner ihm noch unbekannten Heerde mit grosser Selbstverläugnung entgegenschifft. -- Doch es ist nicht weiter nöthig, in das Einzelne aller dieser Einrichtungen und in die interessante Specialgeschichte der jungen Colonisation einzugehen. Aus dem Angeführten geht der Sinn schon deutlich genug hervor, in dem sie unternommen ward, der auch ihre Bestrebungen mit dem glücklichsten Erfolge gekrönt hat. Als der zunächst glänzendste muss wol ihre Rechtferti-

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gung durch das Gouvernement selbst angesehen werden, indem durch ihre Fortschritte erst die britische Krone bewogen ward, ihre Souveränität dort geltend zu machen, ganz Neu-Seeland als ein britisches Colonieland zu proclamiren, und dessen gesammte Bewohner als britische Unterthanen in Schutz zu nehmen.

Hiedurch nun wurde, eines Theils wenigstens, auch das Schiksal der Aboriginer vor jeder bisherigen Infamie des Vagabundenlebens, wie vor jeder Ueberlistung und gaunerhaften Prellerei um ihr Eigenthum, ihre Sitte und ihr Leben sicher gestellt. Jeder frühere, auf gewaltsamen oder unrechtlichen Wege erpreiste Grundbesitz, oder mit andern Worten, jede offenbare Beraubung des unmündigen Aboriginer-Volks ward von der Krone nicht als Privateigenthum anerkannt. Ob diese Aboriginer aber andern Theils bei dem allerdings schon erworbenen grössern Reichthum von Mitteln aller Art, die ihnen der Contact mit den Europäern zuführte, deshalb, und in Folge jenes Schutzes, auch einer erfreulichem Zukunft entgegen geben würden, ist eine ganz andere Frage. Aus den Berechnungen der neuseeländischen, in Port Nicholson errichteten Bank, die auch schon von den Aboriginern benutzt wird, geht hervor, dass die 100,000 jener Farbigen der Insel gegenwärtig etwa schon ein Capital von 150,000 Pfd. St. in Geldanlagen besitzen. Denn in Industrie und Handel suchen die Herangebildeten unter ihnen schon ihre Meister. Aber, wenn schon manche eitle Söhne ihrer stolzen Häuptlinge bei ihrem Besuche am Bord europäischer Waarenschiffe, mit Goldstücken in ihren Westentaschen zu klappern pflegen, so sind ihre Fürsten darum doch nicht reich. Die meisten setzten noch gar keinen

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Werth auf Eigenthum, von dem sie keinen unmittelbaren Gebrauch zu machen verstanden. So vertheilten sie gewöhnlich die ihnen überlieferten Güter sogleich an alle ihre Familienglieder, an ihre Untergebenen und Sclaven, wenig für sich behaltend, nach Wolgefallen. Unstreitig muss sehr bald in ihrem Zustande eine sehr grosse Veränderung vor sich gellen. Hie Civilisation lehrt sie mehr und mehr die Annehmlichkeiten des Lebens kennen, und diese wird ihnen Neigung zum Oelde beibringen. Früher machte sie ihr Fischfang, ihr Batatenfeld, ihre unerschöpfliche Menge der essbaren Farrnkrautwurzel, der Hausgebrauch ihres wilden Flachses und ihr Pätu-Pätu, d.i. ihre Streitaxt, von jedem Fremdling unabhängig. Schon gegenwärtig sind sie die Sclaven von Bedürfnissen geworden, die ihre Vorfahren nicht kannten. Sie müssen Pulver, Blei, Musketen haben, und Tabak, den selbst ihre Frauen und Kinder von frühester Jugend aufrauchen. Dazu auch Messer, Beile, Eisentöpfe, Hemden, Pantalons, bunte Zeuge, ohne deren Schmuck sie sich nicht mehr sehen lassen. Wenn sie diese nicht mehr so bequem, wie bisher, durch Länderverkauf erhalten können, werden sie, wie dies auch heute schon theilweise geschieht, zur Arbeit genöthigt sein. Sie müssen also ganz allgemein den Werth des Geldes kennen lernen. Die Einsicht in diesen Zustand entgeht ihrem Scharfblick keineswegs. "Wenn das so fortgeht", sagte einer der farbigen Häuptlinge, "so werden wir die Leibeignen der Pakeha (d.i. der Weissen). Wir alle müssen ihre Holzhauer und Wasserträger werden." Der Handel der Weissen, meinte er, habe den Baum ihrer Stärke an der Wurzel abgehauen. Hohe wie

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Niedre der Farbigen würden alle zu einem Volke von Rikka-Rikkas (d.i. von Sclaven) herabsinken. Doch sei für sie keine Rettung, das sehe er ein; selbst Verjagung und Erschlagung aller Weissen würde ihnen nichts helfen; denn immer Andere würden wiederkommen. -- So der farbige Häuptling. Ein anderer Farbiger mit noch kürzern Worten sagte: "Das Ende wird sein, dass wir Häuptlinge noch die Steine werden zerklopfen müssen zu der Strasse, auf der das Weisse Volk durch unser Land einherschreitet."

Auf die Rettung dieser Aboriginer gleich vom Anfange an, so viel in ihrer Macht lag, bedacht, hatte die Neu-Seeland-Compagnie auf eigenthümliche Weise eine väterliche Vormundschaft für sie ausgeübt, die sie nun an die höhern Anordnungen und an die Weisheit des Kron-Gouvernements selbst übertragen konnte. Bei jenem Ländereinkaufe hatte sie nämlich jedesmal die Aboriginer, und unter diesen ihre Häuptlinge, ihre anerkannten Fürsten, oder den Familien- und Horden-Vorstand als solche behandelt, welche man so vollständig als möglich über die Vortheile und Nachtheile des von ihnen einzugehenden Handels unterrichten müsste. So erweckte man sich überall Vertrauen, und da man sie mit den begehrtesten nützlichsten Artikeln am reichlichsten versähe, auch Zuneigung gegen die Colonisation. Eine völlige Verdrängung der Aboriginer aus den von ihnen abgetretenen Ländereien schien weder gerecht noch rathsam, da ihnen dann zuletzt nur die schlechtesten Reviere der Insel hätten übrigbleiben müssen, in denen ihre compacter gewordene Population, ausgeschlossen vom humanisirenden Umgange mit den Colonisten, für diese nur um so gefährlicher mit der Zeit hätte werden müssen, wenn

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nicht förmliche Kriegführung und Verkümmerung sie schwächen würde. Das Schicksal der, auf diese Weise (gleich einem gefährlichen Raubwilde, von Gouvernements wie von Privaten) behandelten Indianerstämme in Nordamerica wie in Australien, war ein furchtbar abschreckendes Beispiel solcher Völkerdegradationen, und endlich völliger beabsichtigten Vernichtungen von Völkergeschlechtern, aus Nothwehr der Colonisten.

Daher erdachte man für Neu-Seeland einen andern Weg, indem die Compagnie bei jedem Ländereinkauf es sich als Princip feststellte, stets ein ganzes Zehnteil deser handelten Grundbesitzes, als unveräusserbares Grundeigenthum für die Aboriginer-Häuptlinge zu reserviren, das ihnen später zu passender Zeit als herrschaftlicher Besitz übergeben werden sollte. Diess schien der einzige Weg zu sein, diese Häuptlinge vor dem traurigen Schicksale zu bewahren, das sie in allen bisherigen Colonieländern der Briten getroffen hatte, im Contact mit der civilisirten Colonisation. Nämlich durch deren geistiges Uebergewicht und die grössere Energie der Europäer, in die allerunterste Classe eines Aboriginer-Pöbels hinabgedrängt zu werden. Diesem betrübten, bisher fast unvermeidlichen Schicksale, einem ganz hoffnungslosen, aller in Erniedrigung und Ohnmacht versunkenen Millionen der Aboriginer-Völker der weiten Erde, sollte auf diese uneigennützige, in der That edle Weise entgegen gewirkt werden. Man wollte sie keineswegs wegen ihrer Roheit zurückstossen, sondern, von allgemeiner Menschenliebe geleitet, sie auch zugleich in den Schooss der Civilisation und in die Mitte des bürgerlichen Lebens mitaufnehmen, und ihnen daselbst, in

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gleichem Fortschritte mit dessen Entwicklung, auch ihre künftige bürgerliche Stellung vorbereiten. Dieses Zehntheil ihres reservirten Grundbesitzes ward einem eigenen, von der Compagnie deshalb besonders als Aboriginer-Vormund bestellten Beamten überwiesen und gleich den Grundstücken der europäischen Colonisten nach bester Ansicht hie und da zwischen den übrigen ausgewählt. Da der Geldwerth dieser Grundstücke in gleichem Verhältniss wie derjenige der übrigen Eigentümer mitsteigen musste: so war dadurch aus früherhin ganz wertlosen und für die Aboriginer wüste gebliebenen Lande ein ansehnlicher gutsherrlicher Grundbesitz für sie geschaffen. Dieser hatte schon im zweiten Jahre (Mitte 1840 (nämlich das Zehntheil der 110,000 Aecker in der Colonie von Port Nicholson), einen gesteigerten Werth von 34,000 Pfd. St. auf dem Marktpreise in London erhalten, der in gleicher Progression mit dem Wachsthum der Colonie immer mehr und mehr zunehmen muss und in Kurzem bis zu 100,000 Pfd. St. steigen mag. Dieser Werth wurde von der Compagnie neben allen übrigen sogleich an die Aboriginer verwendeten Waaren und Spenden, als der eigentliche ihnen angewiesene Kaufpreis für ihre abgetretenen Ländereien angesehen. Zugleich aber auch als ein Ersatz für ihre damit, wenn schon bewusstlos, doch wirklich an die Krone Englands verfallene Ansprüche als Landessouveraine.

Dieser bedeutende Grundbesitz, der gegenwärtig schon den Häuptlingen der Nation übergeben, diese noch sorglos Unwissenden unstreitig sogleich für Kleinigkeiten zur Verschleuderung führen möchte, ward vormundschaftlich aufbewahrt für ihre in der Ci-

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vilisation Fortgeschrittnen. Und zumal für ihre nächste, schon durch mehr Europäisirung und Schulunterricht herangebildete Generation. Bei ihrer grossen Empfänglichkeit und geistigen Begabung sowohl ihrer Frauen wie Männer, und der glücklichsten Entwicklung der schöngestalteten neuseeländischen Jugend, ist grösste Hoffnung vorhanden, dass der so gewandte und thätige gemeine Mann, wie er jetzt schon begonnen hat, als arbeitende Classe den untern Stand der Colonisation nicht wenig kräftigen wird. Auch ihre Hordenhäuptlinge und Fürsten (die bekanntlich die Prärogative der dort einheimischen Tabu Erklärung und das Recht über Leben und Tod ihrer Angehörigen auszeichnet) -- unter denen sich jüngst schon manche sehr achtungswerthe Charactere und geistig begabte Individualitäten im Culturfortschritt hervorgethan, werden dann in Kurzem neben der englischen Gentry einen begüterten, einheimischen, zwar farbigen aber ebenbürtigen Herrenstand bilden können. Dieser wird wol zur Förderung und Erhaltung ihrer einheimischen Hörigen, der farbigen Mitbrüder von der arbeitenden Classe unumgänglich nothwendig sein. Ihre eigene gutsherrliche Ausstattung wird sie selbst aber mit der Zeit mit den Colonisten verschwägern, und -- wenn sich ihre Cultur bewährt, sie statt einer roh bleibenden, compacten und drohenden Masse, mit in den Kreis der Civilisation und in die Reihen der zur Humanität wahrhaft herangebildeten, einführen. -- Mögen solche Hoffnungen schon bald, noch unter unsern Augen, in Erfüllung gehen!

Gedruckt bei J.F. Starcke.

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PORT NICHOLSON MIT DER COLONIE-STADT WELLINGTON.
DIE COOK'S STRASSE.
1   Es ist zu bemerken, dass der mittlere Theil dieses Vortrags im Druck um etwas vollständiger erscheinen kann, als bei mündlicher Mittheilung, wo er der Beschränktheit der Zeit wegen nur im Auszuge gegeben ward.

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